Corona-Bekämpfung: Digitale Mittel wie Impfpass, Corona-Warnapp, Sormas & der Datenschutz

Corona-Bekämpfung: Digitale Mittel wie Impfpass, Corona-Warnapp, Sormas & der Datenschutz

  • Zwei Drittel wollen digitalen Impfpass nutzen
  • 85 Prozent wünschen sich mehr Funktionen für die Corona-Warn-App
  • In der Pandemie spaltet der Datenschutz die Deutschen

Ob bei der Terminvergabe für eine Schutzimpfung, der Unterbrechung von Infektionsketten oder der Übermittlung von Testergebnissen:

Drei Viertel der Menschen in Deutschland (75 Prozent) wünschen sich einen stärkeren Einsatz digitaler Technologien, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu stoppen. Externer Datenschutzbeauftragter Christian Allner meint dazu:

„Jede neue Phase der Corona-Pandemie legt neue digitale Defizite in Deutschland frei. Die Ausbreitung des Corona-Virus können wir nicht mit Fax, Bleistift und überlasteten Telefonhotlines verhindern, sondern mit Datenplattformen, einer bundesweit einheitlichen digitalen Organisation von Impfterminen unter Beibehaltung der Rücksicht auf die Privatsphäre der Mensche.“

Die Ergebnisse zweier repräsentativer Umfragen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter jeweils mehr als 1.000 Menschen in Deutschland ab 16 Jahren ergab folgende Details:

  • 85 Prozent meinen, es sei mehr Tempo bei der Impfung in Deutschland nötig.
  • 75 Prozent empfinden die Organisation rund um die Corona-Impfungen als chaotisch.
  • Gleichzeitig wünscht sich mehr als jeder Zweite (56 Prozent), dass die Corona-Warn-App um einen digitalen Impfpass erweitert wird.

Demnach ist die Impfbereitschaft etwas gestiegen: So sagen 72 Prozent, sich voraussichtlich gegen das Corona-Virus impfen lassen zu wollen. Gefragt danach, auf welche Weise sie am liebsten einen Impftermin vereinbaren würden, wenn sie die freie Wahl hätten, zeigt mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland eine klare Präferenz: 59 Prozent wollen online ihren Impftermin vereinbaren, davon 43 Prozent per App via Smartphone oder Tablet und 16 Prozent per Website. 27 Prozent ziehen eine telefonische Terminvereinbarung vor. Aktuell ist die Terminvergabe von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Während manche Länder ausschließlich eine telefonische Terminvereinbarung zulassen, gibt es in anderen Ländern auch ein Terminportal, das per Internet-Browser aufgerufen werden kann.

In der Praxis funktionieren diese Lösungen jedoch häufig nur unzureichend. Fast jeder Zweite (49 Prozent) hat bis Anfang Februar versucht, telefonisch oder online einen Impftermin für sich selbst oder eine andere Person zu vereinbaren, aber nur 6 Prozent ist das reibungslos gelungen. Viele sind an überlasteten Hotlines oder Buchungsplattformen gescheitert – und haben dabei oft Dutzende Versuche unternommen. Jeder Siebte (14 Prozent) hat es maximal 15 Mal probiert. Jeder Fünfte (21 Prozent) hat immerhin 15 bis 25 Versuche unternommen, erneut anzurufen oder die Buchungsseite neu zu laden. 37 Prozent haben nach 50 Anläufen aufgegeben. Fast jeder Dritte (29 Prozent) hat sogar über 50 Mal versucht, online oder per Telefon einen Impftermin zu vereinbaren – jeder Zwanzigste (5 Prozent) nach eigenem Bekunden sogar über 100 Mal.

Zwei Drittel wollen digitalen Impfpass nutzen

Der für 2022 geplante digitale Impfpass stößt bei den Menschen in Deutschland bereits jetzt auf großes Interesse. 64 Prozent würden ihn etwa per Smartphone-App anstelle des gelben Impfpasses aus Papier nutzen. Ein Großteil von 84 Prozent aus dieser Gruppe sieht im digitalen Impfpass den größten Vorteil, dass sich damit schnell eine erfolgte Corona-Schutzimpfung nachweisen lässt, etwa beim Reisen oder bei Veranstaltungen. 64 Prozent heben hervor, per digitalem Impfpass automatisch an notwendige Impfungen oder Auffrischungen erinnert zu werden. Und 56 Prozent begrüßen, ihren Impfpass so immer griffbereit zu haben.

Ihr Smartphone haben die Menschen immer zur Hand, ihren Impfpass müssen sie suchen

Gleichwohl ist einigen die traditionelle Variante lieber. 29 Prozent derjenigen, die den digitalen Impfpass nicht nutzen wollen, bevorzugen schlicht einen Impfpass aus Papier, 31 Prozent besitzen kein Smartphone oder Tablet, das nach eigenem Dafürhalten für die entsprechende App nötig wäre. Die Mehrheit von 60 Prozent derjenigen, die nicht am digitalen Impfpass interessiert sind, sorgt sich um den Datenschutz.

Wichtig ist, dass die derzeit entwickelten Lösungen international kompatibel sind – und dass die Daten später in die elektronische Patientenakte übertragen werden können.

Zusatzfunktionen könnten Corona-Warn-App attraktiver machen

Je länger die Pandemie andauert, desto mehr Menschen wollen die Corona-Warn-App einsetzen. Jeder Dritte ab 16 Jahren (32 Prozent) hat die Corona-Warn-App bereits installiert, weitere 17 Prozent wollen dies künftig tun. Das entspricht 33 Millionen Menschen in Deutschland, die die App bereits nutzen oder nutzen wollen, im Juli 2020 galt dies erst für 28 Millionen. Insgesamt 46 Prozent nutzen die Corona-Warn-App nicht, wovon 20 Prozent kein Smartphone besitzen. Die übrigen wollen sie nicht nutzen. Das könnte sich allerdings ändern, wenn die Corona-Warn-App über weitere Zusatzfunktionen verfügen würde: 63 Prozent derjenigen, die die App nicht nutzen, würden sich von ihr Hinweise wünschen, wenn sich Infizierte in der Nähe aufhalten. Mehr als jeder Zweite würde gern automatische Push-Mitteilungen über den aktuellen Stand des eigenen Risikos erhalten und 46 Prozent Hinweise zum Ort einer Risikobegegnung. Jeder fünfte Smartphone-Nutzer (22 Prozent), der die Corona-Warn-App nicht nutzen will, würde es sich anders überlegen, wenn er bei Warnungen aus der App kurzfristig einen Corona-Testtermin buchen könnte.

Insgesamt sind 85 Prozent aller Befragten der Meinung, die App sollte durch Zusatzfunktionen erweitert werden, um die Gesundheitsämter zu entlasten. 57 Prozent wünschen sich sogar konkrete Anreize, um die Nutzung der Corona-Warn-App voranzutreiben.

In Fragen des Datenschutzes ist die Bevölkerung gespalten

Während 59 Prozent meinen, der Datenschutz erschwere die Bekämpfung der Pandemie, begrüßen 43 Prozent, dass der Datenschutz auch in dieser besonderen Zeit nicht gelockert wird. Dabei stimmen 10 Prozent der Menschen beiden Aussagen zu – sie sehen den Datenschutz also als Hemmschuh der Pandemiebekämpfung, nehmen dies aber bewusst in Kauf.

Bitkom-Präsident Achim Berg meint:

„Wir müssen die Daten der Menschen schützen, wir müssen aber auch ihre Gesundheit schützen.“

Hier ein Gleichgewicht zu schaffen, ist naturgemäß schwierig.

Sormas für die Gesundheitsämter: Datenschutz ist eingebaut

Aus Sicht des Bitkom muss zur effektiven Nachverfolgung von Infektionsketten auch die Digitalisierung innerhalb der Gesundheitsämter vorangetrieben werden. Viele Verbände fordern daher die schnelle Einführung der Software Sormas zur Kontaktverfolgung, die gemäß den Planungen bis Ende Februar in allen 376 Gesundheitsämtern im Einsatz sein sollte. Dieses Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht.

Infizierte und deren Kontaktpersonen mit selbstgestrickten Excel-Listen oder gar Handnotizen zu dokumentieren, bindet unnötige Ressourcen und kostet vor allem Zeit. Zeit, die besser jetzt kurz vor einer womöglich dritten Pandemiewelle nicht zur Verfügung steht.

Auch Insellösungen mit anderer Software sind keine echte Hilfe, wenn die Gesundheitsämter nicht untereinander vernetzt sind. Corona ist ein globales Phänomen und macht nicht an Landes- oder Kreisgrenzen halt.

Bund und Länder hätten den verhältnismäßig ruhigen Sommer 2020 dazu nutzen sollen, um die Einführung einer gemeinsamen Plattform für den Datenaustausch voranzutreiben.

Zugleich hätte sich die Ministerpräsidentenkonferenz nicht erst im November 2020 für den Roll-Out in allen Gesundheitsämtern entscheiden sollen. Die Gesundheitsämter müssen jetzt bei der Umstellung gezielt unterstützt werden, wenn der flächendeckende Roll-Out von Sormas gelingen soll.

Der Datenschutz ist übrigens schon eingebaut: Sormas wird entwickelt und betrieben vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH (HZI). Es ist ein Zentrum für Infektionsforschung im niedersächsischen Braunschweig und der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren an, der größten außeruniversitären Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Durch den Standort und die Zugehörigkeit muss die GmbH bereits datenschutz- und DSGVO-konforme Lösungen entwickeln – und kann auch durch Behörden wie die Landesdatenschutzbehörde Niedersachsen kontrolliert werden; was diese auch tun sollte bei einer solchen Schlüsseltechnologie.

 


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